Der Staatsbankrott stellt ein beinahe universelles Phänomen dar. Viele Länder traf es sogar mehrfach.
Staatsbankrott ist in Europa scheinbar kein Problem . Die Regierenden haben sich immer etwas "kreatives" einfallen lassen:
"Frankreich beispielsweise konnte zwischen 1500 und 1800 achtmal seinen Forderungen nicht mehr nachkommen. Der spanische Staat war im 19. Jahrhundert siebenmal pleite. Solche Ausfälle habe es zu jeder Zeit gegeben, so die Wissenschaftler. Keine Region der Welt sei verschont geblieben. Es sei deshalb falsch zu glauben, dass der Staatsbankrott "eine Besonderheit der modernen Finanzwelt" sei.
In den meisten Fällen war der immense Kapitalbedarf, den ein Krieg verursacht, verantwortlich für die finanzielle Schieflage des Staates. Immer wieder aber ist es den Regierungen gelungen, den Ruin hinauszuzögern. Sie erwiesen sich als außerordentlich findig, sich ihrer Verbindlichkeiten zu entledigen - auf Kosten von Banken, Unternehmen und vor allem der Bürger.
Die schlichteste Lösung: Die Staaten weigerten sich, die Schulden zu begleichen. So geschah es, als der spanische König Philipp II. 1557 seine Darlehen nach den teuren Feldzügen gegen Niederländer und Osmanen nicht mehr zurückzahlte; die kreditgebenden Augsburger Finanzhäuser der Fugger und der Welser kamen darauf in schwere Bedrängnis, sie erlangten nie mehr ihre alte Stärke.
Auch nach der Französischen Revolution wählten die neuen Regenten die harte Tour. Sie enteigneten die Kirche und andere Großgrundbesitzer und machten mit vielen Gläubigern kurzen Prozess: Sie ließen sie hinrichten.
Eine ähnlich brutale Option: Die Herrscher beschafften sich frische Mittel, indem sie die Soldaten besetzte Gebiete plündern ließen nach der Devise des kaiserlichen Feldherrn Wallenstein: "Der Krieg ernährt den Krieg".
Solche brutalen Methoden der Haushaltssanierung kamen vor allem in Momenten des Umsturzes zum Zuge. Üblicherweise aber bevorzugten Regierungen schon früher die Methode der Inflation, um ihr Schuldenproblem zu lösen: Sie vermehren das Geld - und entwerten es damit zugleich.
Diesen Weg beschritten bereits die Römer, indem sie bei der Münzherstellung an Edelmetall sparten. Diese Manipulation entwickelte sich zur gängigen Praxis: Der Silbergehalt des Wiener Kreuzers sank zwischen 1500 und 1800 um rund 60 Prozent, der Augsburger Pfennig verlor mehr als 70 Prozent an Wert.
Noch leichter ließ sich die Staatskasse auffüllen, als sich das Papiergeld verbreitete: Nun bedurfte es nur noch einer Druckerpresse.
Die Franzosen praktizierten dieses Verfahren Anfang des 18. Jahrhunderts erstmals im großen Stil, um den Schuldenberg abzutragen, den ihnen der Sonnenkönig Ludwig XIV. hinterlassen hatte. Seitdem sind Regierungen in Krisenzeiten immer wieder dieser Versuchung verfallen.
Das Deutsche Reich etwa weichte 1914 mit Beginn des Ersten Weltkriegs die Golddeckung auf; bis dahin konnte jeder, der wollte, Banknoten in Edelmetall eintauschen. Daraufhin wuchs die Geldmenge bis Kriegsende sprunghaft von 13 auf 60 Milliarden Mark, das Güterangebot dagegen sank um ein Drittel. Und die Preise schossen in die Höhe.
Die fatale Entwicklung gipfelte 1923 in einer Hyperinflation. Für einen Dollar wurden 4,2 Billionen Mark gezahlt. In über 130 Privatdruckereien des Reichs wurden Banknoten produziert. Nur ein radikaler Währungsschnitt konnte die Geldentwertung bremsen.
Im November gab die Regierung die Rentenmark als neues Zahlungsmittel heraus. Der Wechselkurs zur Papiermark betrug eins zu einer Billion. Schlagartig war die Inflation eingedämmt. Man sprach vom "Wunder der Rentenmark". Doch das empfanden längst nicht alle so. Die Besitzer von Geldvermögen oder Bankguthaben waren die Dummen. Sie verloren praktisch alles, was sie über Jahre angespart hatten, große Teile des Mittelstands sahen sich enteignet. Auch Banken und Versicherungen verloren einen Großteil ihres Eigenkapitals.
Zu Gewinnern wurden dagegen die Besitzer von auf Kredit gekauften Sachwerten, von Häusern oder Land: Sie waren mit der Umstellung auf die Rentenmark ihre alten Schulden über Nacht losgeworden. Am meisten aber profitierte der Staat: Er konnte seine Kriegsschulden auf einen unbedeutenden Betrag verringern.
Während des Ersten Weltkriegs zeichneten die Deutschen Anleihen im Wert von 98 Milliarden Mark. Damit waren die Kriegskosten großteils gedeckt. Das allerdings funktionierte nur, weil es Millionen Gläubiger als vaterländische Pflicht ansahen, mit dem Kauf solcher Wertpapiere die Armee zu unterstützen. Sie spekulierten zugleich auf einen schnellen Sieg und eine ordentliche Verzinsung und verdrängten die Möglichkeit einer Niederlage - und damit eines Totalausfalls.
Um nach dem verlorenen Krieg die Reparationen zu bezahlen, gab Deutschland 1922 erneut eine Anleihe aus, diesmal aber waren Bürger mit einem Vermögen von mehr als 100 000 Mark gezwungen, sie zu zeichnen. Doch bevor der Staat die Schulden zurückzahlte, war die alte Währung Geschichte. Die Anleger gingen leer aus.
Seither sitzt die Angst vor der Hyperinflation und vor dem Verlust alles Ersparten tief im kollektiven Gedächtnis vor allem der Deutschen. Müssen sie jetzt wieder Angst haben?"