Abschied von Orkos. EinRequiem.
Ich bin kürzlich sechzg Jahre alt geworden. Mein halbes Leben stand unter dem Leitstern der Instincto-Therapie, mal voll drin, mal nah dran, mal kurz weit weg, aber Woche für Woche, über 35 Jahre hinweg, ein Leben mit wöchentlichen Orkoslieferungen und täglichen Gedanken zum Gang der gekochten Welt. Meinem eigenen Weg darin, so verborgen, so heimlich, als Mitläufer, Querdenker, Heimlichdenker, Nichtdenker.
Schauen, umschauen, nach unten schauen, ein wenig leiden, ruhig sein, etwas abseits sein, ja, man wollte ja nicht als Spinner dastehen.
Wer war ich bislang? Wer war ich früher, vor meiner Wende? Wer wurde ich mit Rohkost?
Wer schreibt hier jetzt aus mir?
Rückschau: Als Frau Burger damals starb, war das wie die Kollision der Titanic mit einem Eisberg. Dem Eisberg einer kalten Realität. Das grosse Schiff ging schnell unter, mit fast allen Insassen, allen guten und schlechten Ideen, allen Chancen. Zurück blieben ein paar Überlebende, die sich neu sortierten. Und dann kam die Zensur und löschte den Rest.
Das grosse Rohkostschiff war nun weg. Keiner baute ein neues. Stattdessen traf man kleine und grosse Segelboote auf einem Meer der Zeit. Das ein oder andere begegnete sich, und man segelte eine Zeit lang zusammen. Boote kamen und gingen.
Im echten Leben hiess das: Ideen, Projekte und Rohkostformen kamen und gingen.
Was bleibt? Ja, was, jetzt wo die Welt mehr und mehr ein ungesundes Gestrüpp geworden ist, fast schon wie in Hieronymus Boschs Garten der Lüste, dem von Burger so verehrten, kryptischen Triptychon des Menschen an und für sich. Wahnsinn und Schönheit verworren zu einem einzigen bunten Schrei.
Jetzt ist auch Orkos Geschichte, Instincto ist es schon länger, und ich stehe nicht nur mental am Rand der Gesellschaft, sondern auch altersmässig. So kurz vor der Rente, eine Zeit der Verluste... das Fehlen von Orkos ist ein seltsames Fehlen: Eine Ära ging zu Ende, laut und völlig still zugleich, unbemerkt vom Rest der Welt.
Für mich ist eine Art "Rohkost-Mutter" gestorben. Aber wem soll man das vermitteln?
Da ist so eine Melancholie in mir, die keinen Namen trägt. Fernweh? Heimweh?
Zeitweh?
Sollte man nicht immer wieder daran erinnern, dass da eine unglaubliche Wahrheit hinter den Kulissen unserer Welt existiert?
Und die Aufzeichnungen dazu, um beim Bild mit dem Schiff zu bleiben, liegen in einem Tresor im Eismeer.
Leb wohl, Orkos.
Aber, da hört schon keiner mehr hin...